07.03.2025 Autoren
Dipl.-Ing. (FH) Eckehard Scheller, ISB Block und Becker Beratende Ingenieure PartGmbB, Bochum
Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Jürgen H. R. Küenzlen LL.M., M.A., M.A., Adolf Würth GmbH & Co. KG, Künzelsau
Im Bereich der Fensterbefestigungen gewinnen absturzsichernde Fensterelemente eine immer größere Bedeutung (Bild 1). Man vergisst allerdings im praktischen Baualltag bzw. bei der Planung der Befestigung eines absturzsichernden Fensterelements allzu oft, dass es sich bei einem solchen Fenster, sowohl bei einer entsprechenden (Fest-) Verglasung (Bild 1a, c und d) als auch beim Einsatz eines „Fenstergeländers“ (Bild 1b), baurechtlich nicht mehr nur um ein „einfaches“ Lochfenster, sondern um eine bauliche Sicherung gegen einen Absturz handelt. Eine solche Sicherung muss vor der Montage entsprechend geplant und bemessen werden!
Damit stellt die Planung und Montage dieser Fenster eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für Architekten (Planung), Fensterbauer (Herstellung geeigneter Fensterelemente), Bauingenieure (statische Berechnung) und Fenstermonteure (fachgerechter Einbau) dar.
Insbesondere bei der Bemessung der Fensterbefestiger sind dafür unterschiedliche Regelwerke zu beachten, unverändert auch die ETB-Richtlinie „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ aus dem Jahr 1985. Für eine „moderne“ Anwendung bzw. Auslegung dieser – „in die Jahre gekommenen“ – Richtlinie, wurde im August 2021 der Abschlussbericht für ein vom DIBt gefördertes und vom ift Rosenheim betreutes Forschungsvorhaben zur Veröffentlichung freigegeben (ift Forschungsbericht, 2020). Danach darf für den Nachweis der Absturzsicherung unter bestimmten Voraussetzungen – bei Vorliegen einer „Mehrfachbefestigung“ im Sinne des Forschungsvorhabens – der Bemessungswert der Tragfähigkeit mit dem Faktor (1/0,6) erhöht werden.
Dieser Beitrag beschreibt und erläutert die wichtigsten Regelungen, die derzeit für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen gelten.
Bild 1: Beispiele für absturzsichernde Fensterelemente: Jeweils Ansicht von außen mit zugehörigem Vertikal-Schnitt (Grafiken: Adolf Würth GmbH & Co. KG)
„Absturzsichernde Verglasungen
Unter absturzsichernden Verglasungen versteht man Verglasungen, die verhindern sollen, dass Personen auf eine tieferliegende Ebene stürzen. Beim Anprall soll die Verletzungsgefahr gering sein. Weiterhin darf der unterhalb liegende Verkehrsraum nicht durch Bruchstücke gefährdet werden. Zu den absturzsichernden Verglasungen gehören z.B. Brüstungen (…) aus Glas sowie bodentiefe Verglasungen.
In der Regel enthält ein Glasaufbau, der absturzsichernd ist, ein Verbund-Sicherheitsglas, das aufgrund der eingesetzten Folie ein günstiges Bruchverhalten aufweist. Neben dem Glasaufbau ist auch die Lagerung der Scheiben bei einer absturzsichernden Verglasung entscheidend.
Absturzsichernde Verglasungen müssen in der Lage sein, sowohl stoßartige Einwirkungen (Anprall) als auch statische Einwirkungen (Wind, Holmlasten) sicher abzutragen.
Dies bedeutet immer, dass zwei Nachweise zu führen sind: ein dynamischer (Pendelschlagversuch bzw. alternativ durch Berechnung) und ein statischer Nachweis (rechnerisch).
Bauaufsichtlicher Rahmen
Absturzsichernde Verglasungen werden nach DIN 18008-4 ausgeführt. Sofern eine Konstruktion von den dortigen Regelungen wesentlich abweicht, erteilt das DIBt allgemeine Bauartgenehmigungen.
Sofern für die in dieser Bauart verwendeten Produkte keine harmonisierten europäischen Produktnormen vorliegen, werden allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen erteilt. Für diese Produkte können auch Europäische Technische Bewertungen (ETA) ausgestellt werden.
Bitte beachten Sie zudem die einschlägigen Landesvorschriften entsprechend der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), Teil A 1.2.7.“
Nachfolgend werden kurz (weitere) Regelungen dargestellt, die aktuell für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen gelten und Grundlage für die zuvor zitierten Aussagen sind (vgl. DIBt.de, 2022). Für detailliertere Informationen wird auf aktuelle Veröffentlichungen verwiesen.
Allgemein ist nach der Musterbauordnung [siehe hierzu in Musterbauordnung (2023) §38] eine Umwehrung als Absturzsicherung erforderlich (vgl. „UH“ in Bild 2), wenn ein festgelegter Höhenunterschied zwischen Verkehrsflächen besteht (vgl. „AH“ in Bild 2).
Verkehrsflächen sind solche Flächen, auf denen sich Personen (sowohl in öffentlichen als auch in privaten Bereichen) aufhalten können. Der Höhenunterschied zwischen diesen Verkehrsflächen, ab dem Umwehrungen vorzusehen sind, ist, mit Ausnahme von Bayern, in allen Bundesländern mit > 1 m definiert; in der Bayerischen Bauordnung (BayBO, Artikel 36) sind dagegen „Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an mehr als 0,50 m tiefer liegende Flächen angrenzen“ zu umwehren, d. h. mit einer Absturzsicherung zu versehen.
Glasausfachungen von Fensterelementen (Festverglasungen) sind als absturzsichernde Verglasungen zu behandeln, wenn die betreffende Verglasung unterhalb der nach Landesbauordnung vorgegebenen Umwehrungshöhe (Holmhöhe) zum Einbau kommt (vgl. Schnitte C-C und D-D in Bild 2).
Bild 2. Beispiele für die Unterscheidung von Absturz- Brüstungs- und Umwehrungshöhen für absturzsichernde Fensterelemente. Hinweis: Die Details der jeweiligen LBO sind zu beachten! (Grafiken: Adolf Würth GmbH & Co. KG)
Die erforderlichen Brüstungs- und Umwehrungshöhen werden in den Landesbauordnungen (LBOen) als Mindesthöhe über der jeweiligen Verkehrsfläche angegeben.
Gemessen wird in der Regel von Oberkante Fertigfußboden. Für die Brüstungshöhe (BH) ist in der Regel die Oberkante der raumseitigen Fensterbank maßgebend (vgl. RAL Gütegemeinschaft, 2024, S. 202, Abschnitt 5.3.2). Allerdings sind in einzelnen Bundesländern Abweichungen zu beachten, wobei ggf. zusätzlich noch die Brüstungstiefe zu berücksichtigen ist.
Bei absturzsichernden Fensterkonstruktionen beträgt die erforderliche Umwehrungshöhe (Höhe des lastabtragenden Holmes bzw. Querriegels) UH = 0,90 m bis zu Absturzhöhen von AH = 12 m. Bei größeren Absturzhöhen ist UH = 1,10 m einzuhalten (vgl. Küenzlen et al., 2022, S. 15, Abschnitt 2.5, Tabelle 2.1).
Neben den bauordnungsrechtlichen Vorschriften sind, sofern es sich um Arbeitsstätten handelt, auch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.1 (2022) zu beachten. Hier ist die Holmhöhe bis zur Absturzhöhe von 12 m mit 1,00 m festgelegt.
Ggf. können auch noch andere Regelwerke (z. B. Schulbau-Richtlinien) maßgebend werden. Eine Übersicht der zu berücksichtigenden Regelwerke (LBO, ASR A2.1, SchulbauR, …) und die daraus resultierenden Brüstungs- und Umwehrungshöhen in Abhängigkeit von der Absturzhöhe kann z. B. Bauregelwerk.de (2025) entnommen werden.
Eine weitere Übersicht und ergänzende Erläuterungen zum Thema sind im b.v.S Standpunkt „Brüstungs- und Geländerhöhen“ enthalten (BVS, 2015).
Wie bereits in der Kurzzusammenfassung des DIBt in Abschnitt 2.1 dargestellt, ist DIN 18008-4 „Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen“ anzuwenden.
Die Norm unterscheidet absturzsichernde Verglasungen in die Kategorien A, B, C1, C2 und C3, die insbesondere für den Pendelschlagversuch relevant sind. Für Einzelheiten der Kategorien wird auf den Normtext (DIN 18008-4:2013-07, S. 4, Abschnitt 1) bzw. auf die Ausführungen in Küenzlen et al. (2022, S. 99, Abschnitt 8.2.2) hingewiesen.
DIN 18008-4 fordert, dass für absturzsichernde Verglasungen immer zwei Nachweise zur Tragfähigkeit zu führen sind (DIN 18008-4:2013-07, Seite 8, Abschnitt 6 mit DIN 18008-1:2020-05, S. 13 ff., Abschnitt 8):
Für den „Nachweis der Tragfähigkeit für stoßartige Einwirkungen aus Personenanprall“ gibt es nach DIN 18008-4 verschiedene Alternativen:
Für den Nachweis der unmittelbaren Glasbefestigungen, wie Klemmleisten, Glasfalzanschlag, Verschraubungen, Halter usw. wird hier aus Übersichtsgründen nicht weiter eingegangen; siehe hierzu Küenzlen et al. (2022, S. 101, Abschnitt 8.2.5).
Die im Jahre 1985 veröffentlichte ETB-Richtlinie „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ (ETB, 1985) wird ausführlich in Küenzlen et al. (2022, S. 102, Abschnitt 8.3) vorgestellt, soweit sie für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen relevant ist, so dass hier nur noch einmal die wichtigsten Punkte herausgehoben werden:
Die Richtlinie ist bis heute, d. h. über 37 Jahre nach ihrer Veröffentlichung, eine eingeführte technische Baubestimmung (siehe DIBt MVV TB, 2024/1, Teil A, S. 12, lfd. Nr. A 1.2.1.3) und damit noch immer unverändert gültig.
Sie unterscheidet zwei Einbaubereiche für raumabschließende Bauteile, Brüstungen, Umwehrungen und dergleichen (ETB, 1985, Abschnitt 2):
Weiterhin unterscheidet die Richtlinie bei der Belastung der Bauteile, die gegen Absturz sichern, zum einen in „horizontale, statische Lasten“ und zum anderen in „stoßartige Belastungen“ (ETB, 1985, Abschnitte 3.1 und 3.2).
Für den Einbaubereich 1 sind als „horizontale Last (Linienlast)“ 0,5 kN/m und 1,0 kN/m für den Einbaubereich 2 in einer Höhe von 90 cm über dem Fußboden anzusetzen. Bei Geländern ist die Last auf Holmhöhe anzusetzen, auch wenn die Holmhöhe von 90 cm abweicht. Die Windlasten sind mit diesen Lasten zu überlagern (ETB, 1985, Abschnitt 3).
Gemäß DIBt MVV TB (2024/1, Teil A, S. 21, Anlage A 1.2.1/8) sind bei der Anwendung der ETB-Richtlinie aktuell u. a. auch noch die zwei folgenden Punkte zu beachten:
Der rechnerische Nachweis der „horizontalen statischen Lasten“ (Bezeichnung nach ETB-Richtlinie) bzw. der „horizontalen Nutzlast“ (Bezeichnung nach DIN EN 1991-1-1/NA) sowie deren erforderlichen Überlagerung mit den Windlasten wird ausführlich in Küenzlen et al. (2022) dargestellt.
Für die Differenzierung von Personen und Gegenständen, die auf absturzsichernde Bauteile einwirken können, unterscheidet die ETB-Richtlinie den „weichen Stoß“ und den „harten Stoß“ (für Details siehe ETB, 1985, Abschnitte 3.2.2 und 3.2.3).
Bauteile der Einbaubereiche 1 und 2 (vgl. Abschnitt 2.4.1) dürfen bei weichem oder hartem Stoß nicht insgesamt zerstört oder örtlich durchstoßen werden. Nach dem Stoß sind folgende Bedingungen einzuhalten (ETB, 1985, Abschnitt 3.2.1):
a) Die Standsicherheit der Bauteile muss erhalten bleiben.
b) Das Bauteil darf nicht aus seiner Halterung herausgerissen werden.
c) Bruchstücke, die Menschen ernsthaft verletzten können, dürfen nicht herabfallen.
d) Das Bauteil darf von den in der Richtlinie definierten Lasten in seiner gesamten Dicke nicht durchstoßen werden.
Grundsätzlich ermöglicht die Richtlinie die Nachweise für „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ gemäß Tabelle 1.
Nachweis | siehe ETB (1985) Abschnitt ... | |
---|---|---|
weicher Stoß | Rechnerischer Nachweis | 3.2.2.2.1 |
Nachweis durch Versuche | 3.2.2.2.2 | |
harter Stoß | nur Nachweis durch Versuche | 3.2.3 |
Für die Befestigung am Bauwerk braucht der harte Stoß nicht nachgewiesen zu werden (ETB, 1985 Abschnitt 3.2.2.2.3).
Für baupraktische Fälle genügt der Nachweis des weichen Stoßes, bei dem nachgewiesen wird, dass das Befestigungselement für diesen Fall eine größere Widerstandskraft besitzt als 2,8 kN (ETB, 1985 Abschnitt 3.2.2.2.3).
Auch wenn für die Befestigung offenbar der rechnerische Nachweis „genügt“, wird der Nachweis des weichen Stoßes durch Versuche für die Befestigung von der Richtlinie auch nicht ausgeschlossen. Dieser versuchstechnische Nachweis für die Befestigung kann offenbar auch erfolgreich erbracht werden, wenn die eingangs in diesem Abschnitt zitierten vier Bedingungen a) bis d) eingehalten werden; siehe hierzu auch Scheller et al. (2023a, Abschnitt 5.2.4 und 2023b, Abschnitt 7.7.1.3).
Zum rechnerischen Nachweis der Befestigung macht die ETB-Richtlinie folgende Aussage (ETB, 1985 Abschnitt 3.2.2.2.3):
„Als Widerstandskraft darf die Kraft angesetzt werden, bei der ein Versagen gerade noch nicht eintritt.“
Im aktuellen Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren wird die Widerstandskraft von 2,8 kN wie folgt definiert (RAL Gütegemeinschaft, 2024, S. 204, Abschnitt 5.3.2):
„Bruchlast, nach heutiger Auslegung ist dies die statistisch ermittelte, charakteristische Tragfähigkeit ohne Berücksichtigung von Sicherheiten“
Das Prinzip für den rechnerischen Nachweis der stoßartigen Belastung für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen wird ebenfalls Küenzlen et al. (2022, S. 114, Abschnitt 8.5.3) dargestellt.
Bei der Planung und Ausführung von absturzsichernden Fensterelementen sind alle Bestandteile der Konstruktion nachweistechnisch zu berücksichtigen. Dazu wird im „Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren für den Neubau und Renovierung“ der Begriff „Nachweiskette“ verwendet (siehe hierzu in RAL Gütegemeinschaft, 2024, Seite 204, Abschnitt 5.3.2):
„Die Lastableitung muss vom absturzsichernden Bauteil bis in den tragenden Baugrund nachgewiesen sein (Nachweiskette von der Einwirkungsstelle bis in den tragenden Baugrund).“
Die Tragfähigkeit einer „Kette“ wird im Allgemeinen vom schwächsten Kettenglied bestimmt. Dies lässt sich unmittelbar auch auf die Befestigung absturzsichernder Fensterkonstruktionen übertragen:
Erst die vollständige Nachweisführung aller Glieder der Nachweiskette – sowohl für statische Einwirkungen (Wind, Holm, Eigengewicht aus geöffnetem Fensterflügel, …) als auch für stoßartige Einwirkungen („ETB-Last“) – belegt die hinreichende Tragfähigkeit eines absturzsichernden Fensterelementes als Ganzes.
Zu den nachzuweisenden „Kettengliedern“ gehören die absturzsichernde Verglasung, die unmittelbare Glasbefestigung bzw. Glaslagerung, (wenn vorhanden) der Brüstungsriegel oder das Geländer (das auf dem Blendrahmen befestigt wird) und deren Verbindung mit dem Fensterrahmen, der Fensterrahmen und die Befestigung bzw. Verankerung des Fensterrahmens am Baukörper, also die „örtliche Lasteinleitung“ z. B. in eine tragende Wand aus Mauerwerk.
Anschließend und abschließend ist noch der Nachweis der Lastweiterleitung „bis in den tragenden Baugrund“ zu führen (vgl. Zitat zu Beginn dieses Abschnitts).
Ergänzende Vorgaben für die Nachweise der Verglasung und der unmittelbaren Glasbefestigung sind, wie in Abschnitt 2.3 erläutert, DIN 18008-4 zu entnehmen. Die Vorgaben für die statischen Nachweis der anderen Kettenglieder sind in der ETB-Richtlinie „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ (ETB, 1985) bzw. in den „Zulassungen“ entsprechender Befestigungssysteme enthalten.
Es sollte selbstverständlich sein, dass bei der normativen Forderung eines Standsicherheitsnachweises für die Verglasung eines Fensters auch die Weiterleitung der zu verankernden Lasten im tragenden Verankerungsgrund (Bauteil) nachzuweisen sind. In DIN 18008-1:2020-05, als Teil der Normenreihe DIN 18008, heißt es daher in Abschnitt 8.1.1 wie folgt:
"Für die Nachweise der Glasbefestigung, Unterkonstruktion, Befestigung am Gebäude, usw. gelten die einschlägigen technischen Regeln."
Mit Schreiben vom 02.12.2014 (Scheuermann, 2014) wurde von der Bauministerkonferenz konkretisiert, wie die Verankerung am Gebäude zu planen ist. Dort heißt es wörtlich:
„Die Standsicherheit von Bauteilen, die gegen Absturz sichern, ist mittels technischer Baubestimmungen nachzuweisen. Abschnitt 6.4 der Norm DIN EN 1991-1-1/NA:2010-12 enthält Angaben zu Horizontallasten zur Absturzsicherung. Die Abtragung der Horizontallasten, die gegen Absturz sichern, in die tragenden Bauteile des Tragwerks ist nachzuweisen. Dafür kommen nur geregelte Bauprodukte und Bauprodukte mit allgemeinem Verwendbarkeitsnachweis in Betracht. Es wird noch darauf hingewiesen, dass die ETB Richtlinie neben dem o. g. Nachweis […] noch ergänzende Nachweise gegenüber stoßartigen Belastungen vorsieht.“
Der Leitfaden zur Montage (RAL Gütegemeinschaft, 2024, S. 205, Abschnitt 5.3.2) führt daher aus:
„Für die Ausführung bedeutet dies, dass ausschließlich geregelte (mit CE Kennzeichnung auf Basis einer harmonisierten Produktnorm oder einer europäisch technischen Bewertung (ETA)) Befestigungssysteme/-mittel oder nicht geregelte Befestigungssysteme/-mittel mit Ver- oder Anwendbarkeitsnachweis […] zu verwenden sind, welche die tatsächliche Einbausituation und den Anwendungsfall abdecken“.
Diese Formulierung bedarf jedoch zweier Ergänzungen:
a) In Deutschland dürfen für diesen Anwendungsfall auch Befestigungssysteme mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) in Kombination mit einer allgemeinen Bauartgenehmigung (aBG) – versehen mit einem nationalen Ü Zeichen statt einem CE Zeichen – verwendet werden. Dabei sei darauf hingewiesen, dass hier mit „Befestigungssystemen“ nicht ausschließlich „Dübel-Systeme“ gemeint sind.
b) Außerdem gibt es im Bereich der Dübel-Systeme bisher keine CE-Kennzeichnung auf Grundlage einer harmonisierten europäischen Produktnorm (hEN). Hier erfolgt die CE-Kennzeichnung ausschließlich über eine Europäische Technische Bewertung (ETA).
Hinweis: Da sich der Begriff im Sprachgebrauch bei vielen am Bau Beteiligten eingeprägt hat, wird in diesem Beitrag für die unter Punkt a) und b) aufgeführten Ergänzungen zur Vereinfachung teilweise nur das Wort „Zulassung“ verwendet. Gemeint ist damit – wenn nicht detailliert angegeben – immer eine abZ/aBG oder eine ETA.
Die Abtragung/Weiterleitung der Lasten, die auf absturzsichernde Fensterelemente einwirken, vom Fensterelement in den tragenden Baukörper bzw. die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen am tragenden Baukörper (wobei mit „Baukörper“ i. d. R. die Gebäude-Außenwand gemeint ist) kann daher im Prinzip nur auf Grundlage der folgenden vier Regelungen statisch nachgewiesen und entsprechend ausgeführt werden:
Auch die Bemessung der Verglasung nach DIN 18008-4 impliziert, dass man den Lastfluss der Einwirkungen auf die absturzsichernde Verglasung bzw. die in Abschnitt 2.4 genannte „Nachweiskette“ im Prinzip immer von der Einwirkungsstelle der Stoßlast bis in den tragenden Baugrund verfolgen und nachweisen muss und dass man nicht einfach bei der Nachweisführung der Befestigung unterbrechen bzw. abbrechen darf. Statisch bemessen werden können aber nur – wie bereits zuvor erwähnt – zugelassene Befestigungssysteme bzw. solche, die über eine ZiE bzw. eine vBG geregelt werden.
Vor allem bei Verankerungen im Mauerwerksbau, wie beispielsweise Mauersteinen mit sehr dünnen Stegen und geringen Druckfestigkeiten, kann es sehr schwer werden, die anzusetzenden Bemessungslasten aus den Anforderungen einer absturzsichernden Verglasung für die Kombination Dübel/Verankerungsgrund zu erreichen. Außerdem können hier geringe Randabstände zu einem Versagen des Verankerungsgrunds bei einem Anprall führen, d. h. das gesamte Fensterelement kann sich aus dem umgebenden Mauerwerk lösen, weil es zu einem Ausbrechen der Steine im Bereich der Dübel kommt. Bei der Planung derartiger Elemente sind an dieser Stelle deshalb immer weitergehende Überlegungen anzustellen, um zu ermitteln, ob in den entsprechenden Verankerungsgründen überhaupt die Anforderungen an die Absturzsicherheit von der gewählten Befestigungsart erfüllt werden können oder ob weitere konstruktive Maßnahmen notwendig sind.
Bei Baukörperanschlüssen aus anderen Baustoffen als Beton oder Mauerwerk sind die Nachweise gemäß den eingeführten Technischen Baubestimmungen, z. B. im Stahlbau nach DIN EN 1993 (EC 3) oder im Holzbau nach DIN EN 1995 (EC 5), zu führen.
Im Rahmen der Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen bekommt der Begriff „Mehrfachbefestigung“ mit jüngst erteilten „Zulassungen“ eine neue Bedeutung:
Die Befestigung von Fenstern erfolgt in der Praxis im Allgemeinen immer durch mehrere Befestigungsmittel. Selbst sehr kleine Fenster werden in der Praxis mit mindestens zwei Befestigern pro Seite befestigt. Speziell im Bereich des Personenanpralls musste nach bisherigem Stand der Technik immer die Einwirkung von 2,8 kN aus der ETB-Richtlinie (vgl. Abschnitt 2.4.3) als charakteristische Einwirkung auf einen Befestiger bei der Anbindung an das Fenster angesetzt werden.
Um die Frage zu klären, ob bei der Befestigung eines Fensters im Falle eines Anpralles eine Lastumlagerung stattfindet und damit nicht die volle charakteristische Einwirkung von 2,8 kN von einem einzigen Befestiger aufgenommen werden muss, wurde ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Dieses Projekt wurde vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) finanziell gefördert und vom ift Rosenheim fachlich betreut. Die folgenden zwei Zitate aus dem zugehörigen Abschlussbericht „Erarbeitung einer Handlungsanleitung zur Bewertung der Absturzsicherung von Fenstern in der Gebäudehülle und deren Einbau sowie einer Erläuterung zur Anwendung der ETB-Richtlinie“ enthalten kurz zusammengefasst den Inhalt und das Ergebnis dieses Forschungsprojektes (ift Forschungsbericht, 2020, Zusammenfassung und S. 77, Abschnitt 7.3.3.1):
(1) „Ein wesentlicher Teil der Untersuchungen beschäftigte sich mit dem rechnerischen Nachweis des weichen Stoßes, insbesondere mit der Frage der Lastweiterleitung der lokalen Stoßbeanspruchung auf benachbarte Befestigungspunkte. Um diese Fragestellung zu beantworten, wurden die wesentlichen Parameter, die die Lastweiterleitung beeinflussen, in FEM-Berechnungen variiert. Das Berechnungsmodell wurde zuvor durch experimentelle Untersuchungen validiert. Aus der Parameterstudie wurde ein Vorschlag erarbeitet, unter welchen konstruktiven Randbedingungen eine Lastweiterleitung an benachbarte Befestigungspunkte angesetzt und hierdurch die Last am direkt beanspruchten Befestigungspunkt reduziert werden kann.“
(2) „Im Anwendungsfall lagert sich die Ersatzlast für den weichen Stoß bei Ausfall eines Befestigungspunktes komplett auf die beiden benachbarten Befestigungspunkte um. Bei einem Befestigungsabstand von max. 40 cm ist dies für den Blendrahmen ohne statischen Nachweis möglich, der bei Ausfall eines Befestigungselementes eine freie Spannweite von maximal 80 cm aufweist. Im günstigsten Fall verteilt sich die Last zu jeweils 50% auf die benachbarten Befestigungspunkte. Um eine nicht genau gleichmäßige Lastverteilung abzudecken, ist ein Ansatz von 60% der Ersatzlast als Bemessungsgröße sinnvoll.“
Die „konstruktiven Randbedingungen“ aus dem 1. Zitat zuvor sind die folgenden vier „konstruktiven Vorrausetzungen“ (ift Forschungsbericht, 2020, S. 77, Abschnitt 7.3.3.1):
Diese neue Regelung konnte nun in entsprechende „Zulassungen“ für Abstandsmontageschrauben und Fenstermontageschienen mit aufgenommen werden.
Dieser Beitrag zeigt aktuelle Regelungen für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen.
Unter bestimmten konstruktiven Voraussetzungen kann dazu eine „Mehrfachbefestigung“ berücksichtigt und damit für die Fensterbefestiger der Bemessungswert der Tragfähigkeit mit dem Faktor (1/0,6) erhöht werden. Hierbei darf die „Mehrfachbefestigung von absturzsichernden Fensterelementen“ nicht mit dem Begriff „Mehrfachbefestigung von nichttragenden Systemen“ im Bereich der allgemeinen Dübeltechnik verwechselt werden.
Kann der rechnerische Nachweis der stoßartigen Belastung rechnerisch nicht erfolgreich geführt werden, so können die Befestiger ggf. auch über entsprechende Versuche nachgewiesen werden, wenn das absturzsichernde Fensterelement augenscheinlich mit einer ausreichend großen Anzahl von Befestigern montiert wird und bestimmte Bedingungen eingehalten werden.
Ein „französische Balkongeländer“, das vor ein absturzsicherndes Fenster direkt am Baukörper befestigt wird, kann heutzutage durch ein Fenster-bzw. Glasgeländer oder auch ein Stahlgeländer ersetzt werden, das direkt mit einem dafür „zugelassenen“ Befestigungssystem auf den Fensterrahmen des absturzsichernden Fensterelements aufgeschraubt wird. Damit kommt der Befestigung des Fensterrahmens die gleiche Bedeutung zu, wie bei absturzsichernden Fensterelementen, die „nur“ aus Rahmen und Scheibe (Festverglasung oder Fensterelemente mit Brüstungsriegel) ohne zusätzliches Geländer bestehen.
Dipl.-Ing. (FH) ISB Block und Becker Beratende Ingenieure PartGmbB, Bochum
Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) LL.M., M.A., M.A., Adolf Würth GmbH & Co. KG, Künzelsau
Veröffentlichungen (Fachbücher, Fachzeitschriften, u. a.)
BVS (2015): b.v.S Standpunkt „Brüstungs- und Geländerhöhen“; Hrsg. Arbeitskreis „Brüstungs- und Geländerhöhen“ im Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V., Berlin August 2015, kostenlose Download-Möglichkeit unter URL: https://www.bvs-ev.de/fileupload/files/6177327493a54_BVS_Standpunkt_Bruestungs-und_Gelaenderhoehen_2015_08.pdf (abgerufen am 10.01.2025)
Küenzlen, J.; Scheller, E.; Klatecki, M.; Becker, R., Kuhn, T.; Stein, T. (2022): Befestigung und Abdichtung von Fenstern und Türen – Aktuelle Regelungen, Praxisbeispiele, bauphysikalische Gesichtspunkte, Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 2022
Scheller, E.; Küenzlen, J.; Hamm, H.; Becker, R.; Kuhn, T. (2023a): Neuerungen für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen Aktuelle Zulassungen – Mehrfachbefestigung – Fenstergeländer – Teil 2, in: Konstruktiver Ingenieurbau, Bundesanzeiger Verlag GmbH, Köln 2023, Heft 02/2023, S. 34-46
Scheller, E.; Küenzlen, J.; Hamm, H.; Becker, R.; Kuhn, T. (2023b): Neuerungen für die Befestigung von absturzsichernden Fensterelementen Aktuelle Zulassungen – Mehrfachbefestigung – Fenstergeländer – Teil 3, in: Konstruktiver Ingenieurbau, Bundesanzeiger Verlag GmbH, Köln 2023, Heft 03/2023, S. 37-49
RAL Gütegemeinschaft (2024): Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren für Neubau und Renovierung. Erstellt von: Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren e.V., Frankfurt; ift Institut für Fenstertechnik, Rosenheim. Hrsg.: Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren e.V., Frankfurt
Internetquellen
Bauregelwerk.de (2025): Absturzsicherungen, URL: http://www.bauregelwerk.de/bauplanung-umwehrungen/absturzsicherungen.html, abgerufen am 10.01.2025
DIBt.de (2025): Absturzsichernde Verglasungen, URL: https://www.dibt.de/de/bauprodukte/informationsportal-bauprodukte-und-bauarten/produktgruppen/bauprodukte-detail/bauprodukt/absturzsichernde-verglasungen, abgerufen am 10.01.2025
3 Europäische und internationale Normen (DIN EN, ISO)
DIN EN 1991-1-1:2010-12: Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau
DIN EN 1991-1-1/NA:2010-12: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau
DIN EN 1993: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
DIN EN 1995: Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten
Deutsche Normen (DIN)
DIN 18008-1:2020-05: Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln - Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen
DIN 18008-4:2013-07: Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen
DIN 18055:2020-09: Kriterien für die Anwendung von Fenstern und Außentüren nach DIN EN 14351-1
Gesetze – Richtlinien – Technische Regeln
ASR A2.1 (2022): Technische Regeln für Arbeitsstätten - Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenstanden, Betreten von Gefahrenbereichen, Ausgabe November 2012, zuletzt geändert 2022, kostenlose Download-Möglichkeit z. B. unter https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/ASR/ASR-A2-1.html, abgerufen am 10.01.2025
DIBt MVV TB (2024/1): Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen, Ausgabe 2024/1, DIBt Mitteilungen, Ausgabe 2, 28.08.2024, kostenlose Download-Möglichkeit unter URL: https://www.dibt.de/de/wir-bieten/technische-baubestimmungen (abgerufen am 10.01.2025)
ETB (1985): ETB-Richtlinie - Bauteile, die gegen Absturz sichern, Ausschuß für Einheitliche Technische Baubestimmungen (ETB), Fassung Juni 1985, Berlin: Beuth Verlag [abgedruckt auch in Mitteilungen IfBt 2/1987; URL: https://www.dibt.de/fileadmin/dibt-website/Dokumente/Referat/I8/ETB_Richtlinie.pdf (abgerufen am 10.01.2025)]
Musterbauordnung (2023): Musterbauordnung (MBO) – Fassung November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 23./24.11.2023, Download z. B. unter URL: https://www.bauministerkonferenz.de (abgerufen am 10.01.2025)
Gutachten – Prüfberichte – Stellungnahmen
Scheuermann, G.: Befestigung von Fenstern mit absturzsichernden Eigenschaften/“Fenstergeländer“, Stuttgart, Brief vom 02. Dezember 2014
ift Forschungsbericht (2020): Erarbeitung einer Handlungsanleitung zur Bewertung der Absturzsicherung von Fenstern in der Gebäudehülle und deren Einbau sowie einer Erläuterung zur Anwendung der ETB-Richtlinie, gefördert durch Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, Aktenzeichen: P 52-5-3.120-2016/18, ift gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Oktober 2020
Der Bauleiter trägt eine enorme Verantwortung für das wirtschaftliche Gelingen eines jeden Bauvorhabens und ist der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt.
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