Seit dem 21.8.2024 liegt der Regierungsentwurf zur neuen Gefahrstoffverordnung vor. Federführend ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, SPD. Die Prävention arbeitsbedingter Krebserkrankungen insbesondere beim Bauen im Bestand und durch Asbest und anderen gefährlichen Stoffen soll damit verbessert werden. Erreicht wird absehbar genau das Gegenteil:
Der Auftraggeber hat nach der geplanten Neufassung keine Schadstoffuntersuchung durchzuführen, sondern dem ausführenden Unternehmen vor Beginn der Tätigkeiten lediglich alle ihm vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte und über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe zur Verfügung zu stellen. Dabei soll es ausreichen, wenn sich der Auftraggeber „zur Informationsbeschaffung in zumutbarem Aufwand der ihm zugänglichen Unterlagen“ bedient. Die Bringschuld des Auftraggebers ist in eine Holschuld des Unternehmers umgewandelt worden.
Das wird in der Praxis absehbar darauf hinauslaufen, dass der Auftraggeber sich darauf beschränken wird, das Baujahr des Gebäudes anzugeben.
Ein Handwerksbetrieb steht als Arbeitgeber in der Verantwortung, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen, ob bei Arbeiten an baulichen oder technischen Anlagen Gefahrstoffe freigesetzt werden, die die Gesundheit der Beschäftigten gefährden könnten. Besonders bei Gebäuden, die vor 1993 errichtet wurden, ist dies von großer Bedeutung, da hier das Risiko von Schadstoffen wie Asbest besteht. Ohne aussagekräftige Schadstoffuntersuchungen ist diese Beurteilung jedoch oft schwierig. In solchen Fällen sind entsprechende Untersuchungen und Vorsichtsmaßnahmen unerlässlich, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten.
Reichen die ihm zur Verfügung gestellten Informationen für die Gefährdungsbeurteilung nicht aus, so hat der Auftragnehmer als besondere Leistung zu prüfen, ob Gefahrstoffe bei den Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen freigesetzt werden und zu einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten führen können.
Damit wird die Schadstoffuntersuchung völlig realitätsfremd auf alle am Bauvorhaben tätigen Gewerke übertragen:
Zum Schutz der Mitarbeiter ist daher vor Arbeitsbeginn eine Schadstoffuntersuchung erforderlich, die teuer und zeitaufwändig ist.
Völlig offen ist, wann das in der Praxis geschehen und wie das zwischen den Gewerken koordiniert werden soll. Der übliche Zeitdruck wird dazu führen, dass Gefahren unterschätzt und Untersuchungen oft unterbleiben werden.
Die Untersuchungen kann in der Praxis nur der Gebäudeeigentümer veranlassen, der in Vertragsketten oft genug gar nicht der direkte Auftraggeber des betroffenen Handwerkers ist.
Die Regierung ist offenbar besorgt, dass Eigentümer ihre Gebäude nicht energetisch sanieren, wenn sie die Verantwortung für die Schadstoffuntersuchungen tragen. Besonders für Eigentümer großer Immobilienbestände könnte das zu teuer sein, so dass die Sorge besteht, dass sowohl energetische Sanierungen als auch die Schaffung dringend benötigten Wohnraums in Bestandsgebäuden ausbleiben könnten.
Die Bauleitung hat insbesondere dann, wenn sie „Bauleitung nach Landesbauordnung“ ist, auf das gefahrlose Zusammenwirken der Gewerke zu achten und die Sicherheit auf der Baustelle sicherzustellen.
Kommt es auf der Baustelle zu Verletzungen, haftet der Bauleiter persönlich.
Da sich asbestbedingte Erkrankunge erst nach Jahren zeigen, mag die konkrete Haftung auf den ersten Blick gering erscheinen, aber die Baustellenverordnung verpflichtet den Bauherren dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz auf seiner Baustelle sicherzustellen. Diese Aufgabe delegiert er regelmäßig an den Objektüberwacher und Bauleiter.
Zudem hat der Auftraggeber im VOB/B-Vertrag für die Aufrechterhaltung er allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und das Zusammenwirken der verschiedenen Gewerke zu koordinieren,
§ 4 Abs. 1 VOB/B. Auch das delegiert er regelmäßig an die Bauleitung.
Der Auftragnehmer ist zur Erfüllung seiner Arbeitgeberpflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern allein verantwortlich, § 4 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B.
Damit liegt die Haftung auch aus bau- und architektenvertraglicher Sicht bei den Auftragnehmern, also beim Planer, Bauleiter und Handwerker.
Nach § 3 Abs. 1 VOB/B hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer die für die Ausführung notwendigen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben. Ist die VOB/B Vertragsgrundlage, ist auch die VOB/C automatisch Vertragsbestandteil, § 1 Abs. 1 VOB/B. In der VOB/C ist in der ATV DIN 18.299 unter Ziffer 0.1.21 geregelt, dass der Auftraggeber in der Ausschreibung „Art und Umfang von Schadstoffbelastungen“ anzugeben hat.
Handwerker sollten schon bei Ausschreibungen zu Arbeiten im Bestand mit einem Baujahr vor 1993, sicherheitshalber vor 1996, die Ausschreibungsunterlagen auf entsprechende Schadstoffuntersuchungen überprüfen und gegebenenfalls vor Angebotsabgabe eine Bieterfrage stellen, ob im Hinblick auf das Baujahr und die Regelung in der ATV DIN 18.299 unter Ziffer 0.1.21 von einer Schadstofffreiheit auszugehen ist.
Erfolgt keine qualifizierte Antwort mit gutachterlichem Beleg, sollte der Auftraggeber sofort bei Auftragserteilung unter Fristsetzung aufgefordert werden, eine ausführbare Planung, die auch Angaben zu Schadstoffen enthält, sowie einen mit allen Gewerken abgestimmten Bauzeitenplan -gegebenenfalls mit den vorgesehenen Zeitfenstern für die eigenen Schadstoffuntersuchungen- vorzulegen. Kommt der Auftraggeber der Aufforderung nicht nach, ist sofort nach Ablauf der gesetzten Frist Behinderung anzuzeigen und eine Nachfrist zu setzen – verbunden mit der Mitteilung, dass die Leistung ohne diese Mitwirkung nicht fristgemäß erbracht werden kann.
Die Schadstoffuntersuchung ist nach der Gefahrstoffverordnung zwar eine „besondere Leistung“. Davon kann aber vertraglich abgewichen werden. Vergütungsmäßig ist also bei Vertragsschluss (!) sicherzustellen, dass die Schadstoffuntersuchung vom Auftraggeber bezahlt wird und nicht auch noch auf Kosten des Auftragnehmers erfolgt.
Im Zweifel sollte der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter vorgehen und ein Angebot nicht abgegeben werden.
Wird die Schadstoffuntersuchung später nachträglich als zusätzliche Leistung beauftragt, ist im VOB-Vertrag zudem die Vergütungsfalle des § 2 Abs. 6 VOB/B zu beachten:
Der Auftragnehmer muss seinen Vergütungsanspruch vor dem Beginn der Ausführung anzeigen, also dem Auftraggeber ein Nachtragsangebot übersenden. Hierbei sind nicht nur die Kosten der Schadstoffuntersuchung zu berücksichtigen: Auch die oft nicht unerheblichen Auswirkungen auf die Bauzeit sind einzukalkulieren und dem Auftraggeber als Behinderung anzuzeigen!
Der Bauleiter trägt eine enorme Verantwortung für das wirtschaftliche Gelingen eines jeden Bauvorhabens und ist der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt.
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Ulrike Zillmer
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