Claim-Management

Claim - Management

von Frank Zillmer   -   03.02.2021 - #026
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht


Die Begriffe „Claim-Management“ oder „Nachforderungsmanagement“ sind zunehmend in aller Munde. Auch im Baubereich reicht es nicht mehr aus, Verträge „irgendwie“ abzuarbeiten. Sie müssen kosten- und ertragsbewusst an die Umsetzung Ihrer Verträge gehen. Nachtragsmanagement spielt eine große Rolle und sollte sowohl von Auftraggebern als auch von Auftragnehmern von Anfang an strukturiert verfolgt werden.


Typische Fehler in Nachtragssituationen und wie Sie diese vermeiden


  • Vermeiden Sie als Auftraggeber unerwartete Mehrkosten.


  • Erwirtschaften Sie als Auftragnehmer die Vergütung, die Ihnen für Ihre erbrachte Leistung zusteht.


Typische Fehler in Nachtragssituationen - und wie Sie diese vermeiden


Das Webinar hat am 5.03.3021 um 15.00 Uhr stattgefunden.

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Es ist für alle am Bau Beteiligten außerordentlich wichtig, die Grundzüge des Baurechts zu kennen. Nur so bekommen Sie ein Gespür dafür, wann und wie rechtzeitig „Pflöcke einzuschlagen“ sind, damit Sie später keine Rechte verlieren.


Planen Sie aktiv im Vorweg, wie mit besonderen Situationen umgegangen werden soll. Dadurch können Sie den Bauablauf gestalten, auch wenn besondere Situationen auftreten. Sie sind dann nicht mehr in der Rolle, nur auf Aktivitäten der anderen reagieren zu müssen.


Wer aktiv handelt,

erzielt wirtschaftlich mehr Erfolg. 


Claim – Management bei der Ausschreibung 


Schon bei Ausschreibung und Vertragsschluss müssen erste Weichen gestellt werden:


  • Nur so bekommt der Auftraggeber fristgerecht genau die Leistung, die er sich vorstellt und muss dafür nur den Preis bezahlen, der ihm angeboten wurde.


  • Nur dann, wenn der Auftragnehmer alle den Preis beeinflussenden Faktoren richtig einkalkuliert, erhält er die „richtige“ und auskömmliche Vergütung für seine Leistung.


Die Ausschreibung begrenzt die Entscheidungs- oder „Dispositionsbefugnis“ des Auftragnehmers:


Grundsätzlich kann der Auftragnehmer entscheiden, wann, wie und wo er eine Leistung bzw. deren einzelnen Teilschritte erbringt.


Da der Auftraggeber aber eine Vorstellung davon hat, wie die Leistung aussehen soll, die er erbracht haben möchte, erstellt er eine detaillierte Leistungsbeschreibung. Diese schränkt die Dispositionsbefugnis des Auftragnehmers ein.


Beispiel: Eine Halle soll nicht nur 20 m lang, 10 m breit und 5 m hoch sein und „irgendwie“ hergestellt werden. Sie soll ein Stahlbau sein, bestimmte Wärme- und Schalldämmqualitäten haben, ein Rolltor in einer bestimmten Größe und einen Estrich mit einer bestimmten Festigkeit haben. Zudem soll die Leistung an einem bestimmten Tag fertig sein. An diese Vorgaben muss sich der Auftragnehmer aber nur halten, wenn es vertraglich so geregelt ist. Er hat aber trotzdem weiterhin die Freiheit zu entscheiden, wo er das Rolltor einkauft, wann er es einbaut und wann und wie er den Estrich einbringt – es muss nur alles zusammen rechtzeitig fertig sein und den vertraglichen Vorgaben entsprechen.


Greift der Auftraggeber nachträglich in diese verbliebene Dispositionsbefugnis ein, kommt es zu einer Nachtragssituation:


Möchte der Auftraggeber frühzeitig einen „geschlossenen“ Bau, damit z.B. Folgegewerke darin geschützt arbeiten können und gibt er nachträglich vor, das Dach oder das Rolltor zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig zu stellen, können Mehrkosten entstehen. Auch Änderungen bei der Größe des Rolltores oder eine erstmalige Vorgabe einer bestimmten Farbgebung für das Rolltor können Mehrkosten auslösen.


Damit der Auftraggeber nicht von späteren Mehrkostenforderungen unangenehm überrascht wird, muss seine Ausschreibung also alle Wünsche von vornherein festlegen und es sollten spätere Änderungen vermieden werden.


Die Bedeutung der VOB/C


Außerdem sind bei der Ausschreibung von Bauleistungen einige Spielregeln zu beachten. Diese ergeben sich zum Beispiel aus der VOB/C: Dieses Regelwerk enthält für jedes Gewerk Vorgaben, welche Erschwernisse und Informationen in einer Ausschreibung angegeben werden müssen.


Werden solche Erschwernisse nicht angegeben, muss der Auftragnehmer sie nicht einkalkulieren.


Treten die Erschwernisse auf der Baustelle nachher aber auf und müssen sie bewältigt werden, kommt es zum Nachtrag – und möglicherweise zu Behinderungen und Zeitverlusten.


Die richtige Ausschreibung kann dem Auftraggeber daher viel Geld und Zeit sparen helfen.


Claim - Management bei der Kalkulation


Eine vollständige und richtige Kalkulation ist für den Auftragnehmer existenziell. Niemand möchte auf seine zu erbringende Leistung draufzahlen.


Werten Sie alle Vertragsbestandteile aus!



  • Ergeben sich aus beigefügten Gutachten Probleme, die einkalkuliert werden müssen?

  • Enthalten beigefügte Mieterbaubeschreibungen oder Standardleistungsbücher weitere Vorgaben?

  • Sind in Vorbemerkungen oder in den Positionsbeschreibungen „Vollständigkeitsklauseln“ enthalten?

  • Habe ich den Wortlaut der Ausschreibung unzulässig eingeschränkt?

  • Ergeben sich aus beigefügten Plänen oder Bauzeitvorgaben kosten- und terminrelevante Hinweise, die im Text des Leistungsverzeichnisses nicht zu finden, aber einzukalkulieren sind?


Alles, was laut Vertrag von vornherein hätte einkalkuliert werden müssen, ist mit der vereinbarten Vergütung abgegolten und kann nicht als „Nachtrag“ später zusätzlich abgerechnet werden.


Claim – Management im Bauablauf


Vertrag“ kommt von „vertragen


Nach der Unterzeichnung ist der Vertrag daher von allen Beteiligten fair zu erfüllen.

Meint der Auftragnehmer, eine Anordnung des Auftraggebers führe zum Nachtrag, muss geklärt werden, ob tatsächlich eine Abweichung vom „Bau-Soll“ vorliegt.  Damit diese Abweichung zu einem Nachtrag wird, muss sie zusätzlich im Risikobereich des Auftraggebers liegen.



Hat der Auftraggeber nachträglich in den Ablauf eingegriffen, den der Auftragnehmer kalkulieren durfte?


  • Dabei geht es nicht nur um materielle Änderungen von Produkten, Größen oder Farben.

  • Auch baubetriebliche Eingriffe wie Bauzeitverschiebungen, Vorgaben von terminlichen Bauabläufen wie z.B. die nachträgliche Festlegung von einzuhaltenden Reihenfolgen, oder bautechnische Vorgaben wie die Anordnung von Handschachtungen statt Baggereinsatz können zum Nachtrag führen.

  • Die Behinderung von Bauabläufen kann zu Nachtragssituationen führen und verschiedene Rechtsfolgen auslösen: Der Auftragnehmer kann unter Umständen

  • mehr Zeit und / oder
  • eine Vergütungsänderung verlangen.
  • zudem können Kündigungsrechte entstehen.


Claim – Management bei Abnahme


Bei der Abnahme können dem Auftraggeber durch Unkenntnis der Regelwerke erhebliche Rechtsverluste und damit unnötige Kosten entstehen:


Der Auftraggeber muss wissen, wann eine fiktive Abnahme oder eine Abnahme durch schlüssiges Handeln vorliegt und welche Rechte er sich bei einer Abnahme vorbehalten muss, damit er keine Mängelansprüche verliert.


Claim – Management bei Gewährleistung


Eine sachgerechte Gewährleistungsverfolgung sichert die Gewährleistungsansprüche und schützt den Auftraggeber vor der Verjährung seiner Ansprüche.


Ihre Aufgabe als Auftraggeber bei der Gewährleistungsverfolgung


  • notieren und überwachen Sie Gewährleistungsfristen
  • organisieren Sie rechtzeitige Begehungen vor dem Fristenablauf


Ihre Aufgabe als Auftragnehmer bei der Gewährleistungsverfolgung


Sorgen Sie für eine Abnahme direkt nach der Fertigstellung Ihrer Leistung. Die Abnahme markiert den Gewährleistungsbeginn. 



Mit der Abnahme wird zudem der Werklohn fällig und es ist nicht mehr das Problem des Auftragnehmers, wenn die erbrachte Leistung beschädigt oder zerstört wird.



Je früher die Gewährleistung beginnt, desto früher ist die Gewährleistung auch beendet.

Wie kann ich Gewährleistungsansprüche beschränken oder vermeiden?


Durch sachgerechte Bedenkenanzeigen kann der Auftragnehmer lange vor der Abnahme spätere Inanspruchnahme wegen Mängeln und Schäden verhindern.


Claim – Management in der Vertragskette


Für Bauabläufe ist es typisch, dass die Vertragspartner nicht nur „Auftraggeber“ oder „Auftragnehmer“ sind: Sie sind oft beides



  • Ein Generalunternehmer ist Auftragnehmer des Bauherrn und Auftraggeber seiner Nachunternehmer.

  • Ein Bauherr ist Auftraggeber und oft ein Investor, der seinen Erwerbern gegenüber verpflichtet ist.

  • Selbst öffentliche Auftraggeber sind gewählten Gremien und dem Rechnungsprüfer gegenüber verantwortlich.


Es ist unmöglich, sich nur auf eine Sichtweise zu konzentrieren


Sie müssen Ihre Interessen in beide Richtungen sachgerecht vertreten und daher die Regelwerke kennen.


Claim – Management für Architekten und Ingenieure


Architekten und Ingenieure müssen noch vielseitiger denken: 


  • Sie müssen ihren Auftraggeber beraten und hierzu nicht nur die Planungsanforderungen vollständig ermitteln, sondern auch richtig und vollständig planen und ausschreiben sowie auf Nachtragssituationen, Bauablaufstörungen und im Gewährleistungsfall sachgerecht reagieren

  • Sie sind zudem selbst Auftragnehmer von Planungs- und Überwachungsleistungen und müssen auch in dieser Rolle an ein sachgerechtes Claim – Management denken:

  • Architekten- und Ingenieurverträge sind sachgerecht zu schließen

  • Angeordnete Planungsänderungen, zu wiederholende Planungen oder Planungsstopps können zu Honorarnachträgen führen. Regelungen hierfür sind bei Vertragsschluss zu treffen und Honorarnachträge sind richtig und vollständig abzurechnen.


Jede Verzögerung ist eine Kostensteigerung - jede richtige Reaktion spart Geld


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 Autor

Frank Zillmer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, seit 1996 mit eigener Kanzlei in Kiel. 

"Alle am Bau Beteiligten sollen den rechtlichen Hintergrund verstehen."

Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht ist Frank Zillmer nicht nur als baujuristischer Unternehmensberater in Norddeutschland ein absoluter Experte. Er vermittelt sein Fachwissen auch gerne strukturiert und gut verständlich als Referent unter anderem für die Architektenkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein, den Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen online oder in Inhouse-Seminaren weiter. Sein Vater hätte es gerne gesehen, wenn er auch Architekt geworden wäre. Nun berät und vertritt er Architekten und alle anderen am Bau Beteiligten, wenn er nicht gerade an seinen klassischen Motorrädern schraubt, oder mit diesen unterwegs ist.

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